Nach dem Tod ihres Vaters 1387 und dem ihres Mannes, der 1390 einer Seuche erlag, hatte sie mit langwierigen Erbschaftsprozessen und daraus resultierenden finanziellen Problemen zu kämpfen. Neben ihren eigenen Kindern musste sie auch ihre Mutter und zwei jugendliche Brüder versorgen. Da an eine Wiederverheiratung mit solchem Anhang und ohne Vermögen kaum zu denken war, besann sie sich auf ihr dichterisches Talent und begann Balladen, Lais und Rondeaus zu verfassen, wobei sie sich Eustache Deschamps zum Vorbild nahm. Für ihre Kinder verfasste sie zunächst das Erziehungsbuch „Buch der Klugheit“, das sie, gegen das hierbei übliche Entgelt, dem Herzog von Burgund, Philipp dem Kühnen widmete,
Hiernach gewann sie rasch weitere zahlungskräftige Mäzene, denen sie ihre Werke widmete und überreichte, darunter die französische Königin Isabeau de Bavière und die ebenfalls zur königlichen Familie gehörenden Herzöge Johann von Berry, Ludwig von Orléans und Johann Ohnefurcht von Burgund, der Nachfolger Philipps des Kühnen.
Christine thematisierte als Lyrikerin zunächst die Liebe, wobei sie vor allem in sehr persönlich wirkender Weise den Verlust ihres Gatten beklagte (Ballades du veuvage, Cent ballades d'amant et de dame).
Später verfasste sie, nicht nur in Versform, sondern auch in Prosa, mehr lehrhaft-philosophische Werke, z.B. den Fürstenspiegel L'Épître d'Othéa (1400) oder die Betrachtungen über das Wirken Fortunas in der Geschichte und in ihrem eigenen Leben in La Mutation de Fortune (1403).
Darüber hinaus reagierte sie in politisch motivierten Werken auf die Bürgerkriege in Frankreich.
1399 kritisierte sie die Misogynie der Männer ihres gesellschaftlichen Umfeldes, und insbesondere die von Jean de Meung im Rosenroman, womit sie die sogenannte Querelle du Roman de la rose entfesselte, den ersten Pariser Literatenstreit in der Geschichte der französischen Literatur, in den sie selbst mit ihrer Épître au dieu d'amours (ebenfalls 1399) eingriff. 1401 verfasste sie Le Dit de la rose, der die fiktive Gründung eines die Frauen schützenden „Rosenordens“ beschreibt.
Von 1404 datiert ein Traktat zur richtigen Erziehung der Mädchen, Le Livre des trois vertus.
1405 stellte sie ihr aus heutiger Sicht interessantestes Werk fertig:
Le Livre de la Cité des dames.
(Das Buch von der Stadt der Frauen.)
Leseprobe
In ihm weist sie, am Beispiel bedeutsamer Frauengestalten aus der biblischen und profanen Geschichte, auf die verkannten Fähigkeiten der Frau hin und entwickelt das Bild einer utopischen Gesellschaft, in der den Frauen gleiche Rechte gewährt werden.
“... allerorts, in allen möglichen Abhandlungen scheinen Philosophen, Dichter, alle Redner (ihre Auflistung würde zu viel Raum beanspruchen) wie aus einem einzigen Munde zu sprechen und alle zu dem gleichen Ergebnis zu kommen, dass nämlich Frauen in ihrem Verhalten und ihrer Lebensweise zu allen möglichen Formen des Lasters neigen.”
„Diejenigen, die Frauen aus Mißgunst verleumdet haben, sind Kleingeister, die zahlreichen ihnen an Klugheit und Vornehmheit überlegenen Frauen begegnet sind. Sie reagierten darauf mit Schmerz und Unwillen, und so hat ihre große Mißgunst sie dazu bewogen, allen Frauen Übles nachzusagen...
(Das Buch von der Stadt der Frauen)
Ab 1418, dem Beginn einer der schlimmsten Phasen des Hundertjährigen Krieges, wohnte sie zurückgezogen bei ihrer Tochter Marie im Kloster der Dominikanerinnen von Saint-Louis de Poissy. Dort erlebte sie 1429 noch die militärischen Leistungen von Jeanne d'Arc, der „Jungfrau von Orléans“, und widmete ihr 1430, nach schon längerem Schweigen, einen Lobpreis als Heldin und
„Ehre für das weibliche Geschlecht“,
das Dictié en l'honneur de la Pucelle.(Dichtung zu Ehren der Jungfrau).
"Nach deinem Tode wird ein charaktervoller, weiser Fürst kommen, der aufgrund seiner Vertrautheit mit deinen Werken sich wünschen wird, zu deiner Zeit gelebt und dich mit eigenen Augen erblickt zu haben."(Christine über Jeanne d'Arc)
< Christine de Pizans Bedeutung erschöpft sich weder in ihrer Feminität, noch in ihrem Eintreten für die Sache der Frau. Zu entdecken bleiben die politische Autorin und die Philosophin Christine, sowie ob erste Ansätze zu einer historisierenden Betrachtung menschlichen Verhaltens zukunftsweisenden Charakter besitzen. (Margarete Zimmermann)>
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