Tullia d’Aragona wurde in Rom geboren. Sie stammte aus einem adligen Haus. Ihr Vater war vermutlich Pietro Tagliavia von Aragon, Erzbischof und Kardinal, der Geliebte ihrer Mutter Giulia Ferrarese, die mit Constanzo Palmieri verheiratet war.
Tullia d’Aragona galt als eine der berühmtesten und gebildesten cortigiana onesta, einer intellektuellen Kurtisane der Renaissance; sowie einer bewunderten Dichterin und Philosophin im Italien des 16. Jahrhunderts und die dazugehörigen Männer, waren Mächtige ihrer Zeit und Machtlose in ihren berühmten Armen; angetan vom Intellekt der cortigiana onesta, und wäre da nicht auch ihr Wille gewesen, nach oben zu kommen. Nicht jedoch durch Beischlaf oder die Gosse der Berichterstattung, sondern als Literatin. Sie bekam über ihren Vater eine umfangreiche Ausbildung in Literatur, Philosophie und sprach mehrere Sprachen. In ihrem Salon in Ferrara, Florenz und in Venedig verkehrten die angesehensten Männer des römischen Klerus, Dichter, Wissenschaftler und der Politik.
Bekannte und berühmte Dichter und Wissenschaftler gehörten zu ihrem Freundeskreis (Guilio Camillo, Francesco Maria Molza, Kardinal Hypolitos von Medici, Ercole Bentivolglio, Filippo Strozzi, Lattanzio Benucci, Benedetto Varchi, Girolamo Muzio, Pietro Manelli), so dass man nicht all zu laut über sie hätte herziehen dürfen.
In Siena wollte man Tullia d’Aragona als Kurtisane den Prozess machen und in Rom wurde sie als Prostituierte auf der Steuerliste veröffentlicht. Aber sie wandte sich mit einem hervorragenden Dialog über das Verhältnis von körperlicher und geistiger Liebe an den Herzog von Florenz, und bekam die Erlaubnis, danach als hoch geachtete Schriftstellerin ihren Salon weiter zu führen. Die meiste Zeit ihres Lebens verbrachte sie in Ferrara und Rom, wo sie bis zum Tod ihres Mannes wohnte.
Der französische Reisende Villamont, der 1588 nach Rom kam, schreibt über die Kurtisanen folgendes:
<Was ich am meisten bewundere ist, dass die vornehmen Herren von Rom, wenn sie an den Fenstern von Madame der Kurtisane vorbeikommen, sie mit solcher Unterwürfigkeit grüßen, ihr die Hände küssen und ihr die Aufwartung machen, als wären sie eine Prinzessin oder irgendeine große Dame...>
Als Witwe begab sie sich unter den Schutz der Herzogin Eleonora von Toledo, mit deren Unterstützung sie ein Buch mit Versen und Gedichten herausbrachte. Sowie Ihre:
Dialogo dell' Infinità d’Amore, 1547
(Dialoge über die Unendlichkeit der Liebe)
der 1547 in Florenz erschien und Casimo I. de Medici gewidmet war.
Benedetto Varchi, der wichtigste Gesprächspartner von Tullia d’Aragona in dem Dialog, hatte den Dialog durchgesehen. Ein weiterer Gesprächspartner ist Muzio Lattanzio Benucci.
Tullia d’Aragona schreibt sich die Rolle der Schülerin zu, die Fragen stellt, die dann von Varchi beantwortet werden. Allerdings wird diese Rolle nicht starr durchgehalten.
Inhaltlich bezieht sich der Dialog auf Platons Symposion und den Phaidros, sowie auf die zeitgenössischen Autoren Marsillio Ficino, Sperone und Pietro Bembo.
Der Dialog diskutiert u.a. Fragen zum Verhältnis von Rhetorik und Logik, zur Verbindung zwischen platonischen und aristotelischem Denken, die Begriffe Unendlichkeit und Unsterblichkeit sowie das Liebesideal Petrarcas.
Ansatzpunkt ist die Frage, ob Liebe unendlich sein müsse, oder ob es möglich sei, mit Maß und Grenze zu lieben.
Den Beweis, dass Liebe kein Ende kenne, führt Varchi, indem er auf den Unterschied zwischen dem Substantiv Liebe und dem Verb lieben reflektiert. Anhand grammatikalisch-logischer Überlegungen kommt die Philosophin zu dem Schluss, dass Liebe als Substantiv, dem Verb lieben gegenüber eine höhere Stellung zukomme. Damit stimmt sie mit Varchi der aristotelischen Theorie von der Überlegenheit der Substantive (Nomen) über das Akzidenz (Verb) zu.
Tullia d’Aragona räumt dem Geliebten den höheren Wert ein und belegt dies am Beispiel Gottes, der Liebender und Geliebter zugleich ist.
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