Olympia Fulvia Morata,
“die geistige Zierde des 16. Jahrhunderts,”
war eine Dichterin und humanistische Gelehrte.
Ihre „Leistungen führten die Tradition der italienischen Humanistinnen auf die andere Seite der Alpen nach Deutschland, wo es bisher wenige solcher Frauen gab“. (Margaret L. King)
Olympia wurde als Wunderkind vorgeführt. So hielt sie 1541 in der herzoglichen Akademie, die von ihrem Lehrer Johannes Sinapius geleitet wurde, drei öffentliche Vorlesungen über die Paradoxa Ciceros ab. Außerdem durften ihre Zuhörer unter anderem ihrer griechischen Lobrede über den altrömischen Helden Mucius Scaevola, ihren Anmerkungen zu Homer und ihrer Verteidigung Ciceros sowie im Jahre 1547 ihrem griechischen Trauergedicht anlässlich des Todes des Kardinals Pietro Bembo lauschen. In diesem Jahr schrieb sie auch folgendes Gedicht in Altgriechisch über sich selbst:
"Niemals erfreute das Herz aller Menschen ein und dasselbe, niemals gab gleichen Sinn Zeus allen Menschen zugleich. Rossebezähmer war Kastor, im Faustkampf stark Polydeukes – Stammten vom selben Schwan beide Helden doch ab! Ich zwar, Frau von Geburt, verließ doch die Werke der Frauen: Körbe und Spulen mit Garn, Fäden zum Zettel gespannt. Mir schenken Freude die blühenden Auen der Musen, die Chöre Auf dem hohen Parnaß, der sich zweifach erhebt. Andere Frauen mögen an anderen Dingen sich freuen: Dies allein bringt mir Ruhm, dies allein ist mein Glück." (in: Niklas Holzberg, Olympia Morata (1526-1555), S. 141-156, in: Fränkische Lebensbilder, Bd. 10, Würzburg 1982, S. 145).
Sie lebte am Hofe mit Anna von Este, die sich später mit Franz von Lothringen, Herzog von Guise vermählte. Dieses Leben am Hofe rief aber keine höfische Gesinnung in ihr hervor, sie war vielmehr froh, da sie vom Hofleben befreit wurde und braucht später ernste und strenge Worte gegen das höfische Treiben. Von hervorragender Wichtigkeit für sie war das Leben am Hofe nicht bloß dadurch, dass sie bedeutende Männer kennen lernte, z. B. Pietro Bembo, dessen Tod sie mit einem lateinischen Gedichte beklagte, sondern dadurch, dass sie in die reformatorischen Gesinnungen und Bestrebungen des Hofes von Ferrara (Renata v. Este) eingeweiht wurde. Seitdem hört die heidnische Periode ihres Lebens auf, in welcher sie den Tendenzen des italienischen Humanismus nahe steht; die christliche Periode beginnt. Olympia liest die Bibel und zitiert seitdem mit Vorliebe biblische Stellen.
Olympia war wegen ihrer Bildung und Herzensgüte bekannt; noch später wandten sich viele Schweinfurter an sie, in der sichern Hoffnung von ihr unterstützt und gefördert zu werden, ohne dass sie im Stande war, allen Anforderungen zu genügen.
Mit Ihrem Gemahl floh sieh nach Hammelburg und kam 1554 an die Universität Heidelberg. Die Berufung Ihres Gemahls erfolgte am 12. Juli 1554. Nach dem Berichte von Leodius z. J. 1554, nachdem er Olympia als Sappho bezeichnet hat: Uterque a nostro principe in decus sui gymnasii ascitus est, ipse ut medicinam profiteatur, ipsa ut graecas literas doceat quod hacentus distulit morbo comprehensa, wäre auch sie berufen worden. Doch findet sich nichts davon in den Akten.
Drei Jahre nach ihrem Tode veröffentlichte Curione ihre erhalten gebliebenen Werke – lateinische und griechische Reden, Dialoge, Gedichte, zwei lateinische Versionen von Geschichten aus Boccaccios Dekameron und eine griechische Psalmenparaphrase – unter dem Titel Olympiae Fulviae Moratae foeminae doctissimae ac plane divinae orationes, dialogi, epistolae, carmina, tam Latina quam Graeca (Die sowohl lateinischen wie griechischen Reden, Dialoge, Briefe und Gesänge der gelehrtesten und ganz unvergleichlichen Frau Olympia Fulvia Morata).
Ihre Sprachkenntnisse waren bedeutend, ihr lateinischer Stil elegant. Nicht sowohl ihre Leistungen, als die für Deutschland ungewohnte Tatsache, dass eben eine Frau lateinische Vorträge zu halten, griechische Briefe zu schreiben im Stande war, dass sie mit Gelehrten wie mit Ihresgleichen verkehrte, haben ihren Ruf in Deutschland begründet. Dazu kam, dass sie persönlich einen eigentümlichen Reiz ausgeübt haben muss.
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