Am 25. Juni 1678 erhielt sie mit 32 Jahren als erste Frau der Welt den Doktortitel in Philosophie.
Elena Lucrezia Cornaro Piscopia, deren Leben erstaunliche Parallelen mit dem ihrer berühmten Zeitgenossin aus der Neuen Welt, Sor Juana Ins de la Cruz (1648-1695), aufweist, war das fünfte Kind des venezianischen Prokurators Cornaro. Die Familie gehörte zu den bedeutendsten Adelsgeschlechtern der Republik. Schon früh erhielt das begabte Kind Unterricht bei den bekanntesten Gelehrten in klassischen und modernen Sprachen und in den sogenannten “freihen Künsten”. Der ehrgeizige Vater managte das Talent seiner Tochter und führte sein “Wunderkind” schon mit sieben Jahren öffentlich vor.
Elena galt im Alter von siebzehn Jahren als eine Expertin der Musik. Während ihres Lebens, meisterte sie neben der Sciblis ihrer Zeit das Cembalo, das Clavichord, Harfe und Geige. Ihre Meisterung der Musikinstrumente wurde durch die Musik die sie komponierte gekrönt.
Elena fand Gefallen an der Wissenschaft, nicht aber an der venezianischen Luxusgesellschaft und zog es trotz Protesten der Eltern vor, das Gelübde der Benediktinerinnen abzulegen, ohne jedoch ins Kloster einzutreten. Mit der wohlwollenden Unterstützung der Kirche konnte sie ihre Studien der Philosophie und Theologie fortsetzen. An der venezianischen Universität Padua trat Elena am 30. Mai 1677 vor dem ganzen Kollegium der Universität in einem öffentlichen wissenschaftlichen Disput mit großem Erfolg auf. Vater und Lehrer betrieben seitdem den Versuch, Elena den Doktortitel der Theologie zu verschaffen. Das theologische Kolleg der Universität Padua lehnte den Antrag ab: Die “Laurea” schlösse die kirchliche Lehrerlaubnis ein und die Frau habe in der Kirche zu schweigen. Lehrer und Vater erreichten einen Kompromiss:
Elena durfte über ein philosophisches Thema aus der aristotelischen Logik promovieren, was sie am 25. Juni 1678 in Padua mit Bravour vollbrachte.
So bekam sie als erste Frau der Welt den Doktortitel.
Im selben Jahr wurde sie Mathematik-Professor an der Universität von Padua.
Seit 1669 war sie Mitglied verschiedener wichtiger Akademien geworden, so der Akademie der Ricovrati in Padua und der Akademien in Rom, Venedig und Siena. Schwerlich sind darin emanzipatorische Ansätze zu finden. Das lag nicht in ihrem Blickfeld. Für siebzig Jahre blieb sie die einzige Doktorin an der Universität Padua. Die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte Elena schreibend, korrespondierend, Vorträge haltend und Dispute absolvierend.
Leider entschied sich die adelige Wissenschaftlerin jedoch schon kurz darauf - ebenso wie Agnesi - der Mathematik und dem weltlichen Leben den Rücken zu kehren. Sie schlug mehrere bedeutende Heiratsangebote aus, schloss sich den Benediktinerinnen an und widmete ihr Leben den Bedürftigen.
Alle zeitgenössischen Reisenden rechneten es sich zur Ehre an, sie besucht oder gesehen zu haben. Sie starb 1684 im 38. Lebensjahr, einer unsicheren Quelle zufolge “an einer Pest-Beule”, wahrscheinlicher an Tuberkulose. Sie wurde in Padua beigesetzt, und alle Akademien würdigten ihr Andenken durch prunkvolle offizielle Totenfeiern.
Ihr schriftlicher Nachlaß ist nicht umfangreich; eine Sammlung ihrer Schriften erschien 1688 in Parma und umfaßt ca. 300 Seiten.
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