Im April 1732 verteidigte sie den Titel Doktor der Philosophie
und wurde dann zur 1. Universitätsprofessorien für Philosophie
in Europa ernannt.
„Laura Bassi war eine der ersten Repräsentantinnen der damals noch jungen Disziplin Experimentalphysik. Sie hatte außerdem - damals keineswegs selbstverständlich - eine gründliche Ausbildung in höherer Mathematik (Algebra, Geometrie und Infinitesimalrechnung) erhalten, was sich auch in ihren physikalischen Studien niederschlug, die sich durch den Grad der Mathematisierung deutlich von denen ihrer zeitgenössischen Kollegen unterschieden.
1711 in Bologna geboren, als Tochter eines bekannten städtischen Juristen, lernte sie schon im Alter von sieben Jahren Latein. Systematischen Unterricht erhielt sie ab 1723/24, also im Alter von 12/13 Jahren, und zwar zunächst heimlich, weil die Universität in Bologna gerade das Promotionsgesuch einer Frau abgelehnt hatte und in diesem Zusammenhang eine öffentliche, sehr kontroverse Diskussion über Frauenpromotionen geführt worden war, deren negative Auswirkungen man fürchtete. Entscheidend für Laura Bassis späteren Lebensweg wurde dabei die Tatsache, dass sie nicht (nur) von ihrem Vater, sondern von mit der Familie befreundeten Universitätsprofessoren und Mitgliedern der Bologneser Akademie unterrichtet wurde. Anders als ihre Vorgängerinnen und die meisten ihrer Nachfolgerinnen hatte Laura Bassi daher nicht nur einen, sondern mehrere geistige Väter, die alle an ihrem Erfolg interessiert waren und die zudem für sie ihren Einfluß bei den von ihnen repräsentierten wissenschaftlichen Institutionen geltend machen konnten. Sie überredeten Laura Bassi zunächst zu einer privaten Disputation im elterlichen Hause, nahmen sie dann als Ehrenmitglied in die Accademia delle Scienze dell' Istituto auf (allerdings ohne das Recht auf Sitzungsteilnahme) und arrangierten dann eine erste sorgfältig vorbereitete öffentliche Disputation, an der die ganze Stadt teilnahm. Nach einer zweiten öffentlichen Disputation nur wenige Wochen später wurde ihr der Doktorgrad verliehen. Nachdem ihr Erfolg auch international Aufsehen erregt hatte, gab man ihr sogar die Möglichkeit, sich durch eine dritte Disputation zu habilitieren, und ernannte sie daraufhin im Alter von nur 21 Jahren zur Universitätsprofessorin für Philosophia universalis.“(1)
Mit der «Filosofessa» hatte damit erstmals eine Frau einen derart hohen Rang innerhalb der Universität inne. Allerdings war der Lehrauftrag mit dem Zusatz verbunden, sie solle ihre Vorlesungen zu Hause halten, da sie als Frau auch häuslichen Verpflichtungen nachzukommen habe.
1738 heiratete sie den Mediziner und Philosophen Guiseppe Verati, der weder reich noch vornehm war, was Laura Bassi viel Spott einbrachte. Nach der Eheschließung schreibt Bassi am 26. April 1738 in einem Brief: «. . . und deshalb wählte ich einen Menschen, der wie ich auf dem Wege der Wissenschaften vorwärtsgeht und bei dem ich durch lange Erfahrung sicher sein konnte, dass er mich nicht davon abbringen würde.» Die Ehe wird auch als glücklich und kinderreich beschrieben. Bassi brachte acht Kinder zur Welt, von denen drei starben, und zog fünf davon groß, ohne ihre wissenschaftliche Laufbahn zu unterbrechen.
„Das war ein absoluter Tabubruch. Damit verletzte sie das oberste Gebot, das für die weiblichen Wunderkinder seit Entstehung dieser Spezies galt: die Erwartung ewiger Jungfräulichkeit. Denn nur als außerhalb der Geschlechterordnung stehende Jungfrauen stellten die gelehrten Frauen, die man dementsprechend zu Amazonen, Musen oder Göttinnen stilisierte (Laura Bassi und Elena Cornaro Piscopia etwa galten beide als Versinnbildlichung der Göttin Minerva), keine Bedrohung für das bestehende patriarchale Herrschaftsgefüge dar. Eine Ehefrau und Mutter, die Wissenschaft betrieb, bedeutete dagegen eine wirkliche Negierung der geltenden Geschlechtsnormen.
Laura Bassi gelang es nicht nur trotz dieses Tabubruchs ihre wissenschaftliche Tätigkeit fortzusetzen, sondern auch durch und in ihrer Ehe die Grundlage für ihre weitere Karriere zu legen. Da sie keine institutionell abgesicherte Position hatte, nutzte sie ihre neue Rolle und Unabhängigkeit als Hausherrin, um im eigenen Hause, unter eigener Regie, wissenschaftliche Abendgesellschaften, Privatvorlesungen und experimentelle Vorführungen durchzuführen. Ihr Ehemann, mit dem sie insbesondere das Interesse an den neuen Forschungen in der Elektrizitätslehre teilte, unterstützte sie dabei. Außerdem kamen ihr zwei weitere Umstände zu Hilfe: einmal ein wissenschaftlich hochgebildeter und aufgeschlossener Papst - Benedikt XIV -, der aus Bologna stammte und Laura Bassi persönlich kannte, da er zur Zeit ihrer ersten Disputation Erzbischof von Bologna gewesen war; zum anderen eine von diesem Papst initiierte Akademiereform im Jahre 1745, in deren Folge erstmals eine Anzahl von bezahlten Stellen für Wissenschaftler innerhalb der Akademie geschaffen wurden. Um eine dieser Stellen bewarb sich Laura Bassi, die nicht nominiert worden war, selbstbewußt unter Hinweis auf ihre wissenschaftliche Qualifikation (die Förderung der katastrophal eingebrochen wissenschaftlichen Produktivität in Bologna war eines der obersten Ziele der Reform). Ihrem Gesuch wurde - wieder wesentlich aufgrund der Fürsprache und Mitwirkung ihrer späteren Kollegen - tatsächlich stattgegeben. Zwar wurde Laura Bassi den männlichen Wissenschaftlern der Akademie nicht völlig gleichgestellt (sie hatte zum Beispiel kein Wahlrecht), aber sie war damit die erste Frau in Europa, die eine institutionell abgesicherte wissenschaftliche Position innehatte und durch ihre Wissenschaft Geld verdiente.“ (1)
1745 erhielt sie eine von 24 bezahlten Wissenschaftlerstellen an der Universität von Bologna, wo sie sich ihren Forschungen auf den Gebieten der Mechanik, Pneumatik, Hydromechanik, Optik und Elektrizitätslehre widmete. An der Universität Bologna rangierte Bassis Einkommen unter den vier höchsten, dennoch mangelte es oft an Geld, da sie die Anschaffung von Apparaten und Experimentiereinrichtungen selbst finanzieren musste. Angesichts ihrer europaweiten Bekanntheit mutet es seltsam an, dass die offizielle Ernennung zur Ordinaria für Physik erst zwei Jahre vor ihrem Tod und nach erheblichen Widerständen erfolgte. Bassi stand mit vielen Wissenschaftlern und Gelehrten ihrer Zeit (u. a. Algarotti, Voltaire, Lalande, Boscovich, Frisi, Nollet, Beccaria, Haller und Spallanzani) in Kontakt, ab 1749 hielt sie bei sich zu Hause auch private Vorlesungen in Physik. 1776 erhielt sie schließlich – mit ihrem Ehemann als Stellvertreter – den Lehrstuhl für Experimentalphysik.
(1) Cordula Tollmien; Von Hypathia bis Emmy Noether: Frauen in der Mathematik exemplarische Lebensläufe
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