Émilie du Châtelet (wie sie üblicherweise genannt wird) wurde geboren als Tochter von Louis Nicolas Le Tonnelier, Baron von Breteuil, und seiner zweiten Frau Gabrielle-Anne de Froulay. Ihr Vater hatte am Hof in Versailles das Amt, die Gesandten ausländischer Fürsten auf ihren Auftritt vor König Ludwig XIV. vorzubereiten und sie ihm vorzustellen.
Im Pariser Haus ihrer Familie genoss Émilie ein intellektuell offenes Milieu und lernte früh z.B. den seinerzeit bekanntesten Lyriker Jean-Baptiste Rousseau und den belletristischen und philosophischen Autor Fontenelle kennen, einen bedeutenden Vertreter der sog. Frühaufklärung. Dank ihres Vaters, der ihre Begabung bemerkte, erhielt sie eine vorzügliche klassische Bildung, doch lernte sie auch Englisch und Italienisch. Sie wurde zudem am Spinett unterrichtet und lernte Opernarien singen, sowie tanzen und Theater spielen.
Mit 16 Jahren wurde sie von ihrem Vater am Hof eingeführt. Sie gefiel sich in den damit verbundenen Aktivitäten und dem Luxus und hatte einige kleinere (zweifellos platonisch bleibende) Liebschaften, z.B. mit dem Marquis de Guébriant oder dem Marschall de Richelieu.
Am 12. Juni 1725 wurde sie, 18-jährig, mit dem 30-jährigen Marquis Florent Claude du Chastellet (die Schreibweise "Châtelet" geht auf Voltaire zurück) verheiratet. Sie zog zu ihm nach Semur-en-Auxois, wo er das Amt eines königlichen Gouverneurs innehatte und wo sie mit ihm drei Kinder bekam. Hier auch lernte sie den Mathematiker de Mézières kennen, der ihre Leidenschaft für die Mathematik weckte. 1730 kehrte sie zurück nach Paris.
Die Heiraten adeliger Partner folgten damals nicht dem romantischen Modell der „Liebesehe“; die Ehe wurde als ein Vertragsverhältnis aufgefasst und die Marquise du Châtelet betrachtete ihren Teil des Vertrages als erfüllt, nachdem sie ihrem Gatten drei Kinder geboren hatte. Danach nahm sie die sexuellen und anderen Freiheiten in Anspruch, die einer hochadeligen Frau unter Einhaltung bestimmter Grenzen zugebilligt wurden. Entsprechend hatte sie mehrere kürzere Affären, unter anderem mit dem Mathematiker und Astronomen Pierre-Louis de Maupertuis und dem Mathematiker Alexis-Claude Clairaut. Anders als gelegentlich behauptet wird, scheint sie aber immer ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihrem Ehemann unterhalten zu haben. Jedenfalls schrieb sie mit Achtung von ihm und hörte in entscheidenden Situationen auf seinen Rat.
1733 lernte sie bei einem Souper Voltaire kennen und begann ein Verhältnis mit ihm. Als er, um sich einem Haftbefehl zu entziehen, Paris 1734 verlassen musste, bot sie ihm als Zuflucht ein halbverfallenes Schlösschen ihres Mannes in Cirey-sur-Blaise in der Champagne an. Nachdem sich abzeichnete, dass der Haftbefehl so bald nicht aufgehoben würde, reiste die „göttliche Émilie“, wie Voltaire sie nannte, ihm schließlich nach. Sie ahnte sicher nicht, dass Cirey für sie und ihn über 15 Jahre hinweg zum Lebensmittelpunkt werden würde, auch wenn sie beide häufig reisten und immer wieder Wochen oder Monate an anderen Orten verbrachten.
Die Châtelets waren nicht besonders vermögend, während Voltaire dank einer Erbschaft, geschickter Spekulationen, aber auch seiner Schriften mehr als nur wohlhabend war. Bald nach ihrer Ankunft in Cirey ließ sie, zum Teil nach seinen Ideen und auch mit seinem Geld, das Schlösschen umbauen und einen neuen Flügel anfügen, in dem eine Art naturwissenschaftliches Laboratorium und eine rasch wachsende Bibliothek Platz fanden. Hier experimentierten die beiden zur Optik und zum Phänomen des Vakuums. In einem im Dachstuhl eingerichteten kleinen Theater führten sie Voltaires Theaterstücke auf. Cirey wurde zu einem Treffpunkt von Literaten, Naturkundlern und Mathematikern.
Émilie du Châtelet betätigte sich auch als Philosophin der Aufklärung. In einem Bibelkommentar kritisierte sie unter anderem die Schöpfungsgeschichte:
„Wie amüsant, dass die ersten drei Tage [der Schöpfungsgeschichte] durch Abend und Morgen begrenzt wurden, bevor am 4. Tag die Sonne erschaffen wurde.“
Offenbarungsreligionen lehnte sie, wie Voltaire, ab.
Nach ausführlichen Studien und eigenen Experimenten, die gemeinsam mit Emilie du Châtelet und den Naturwissenschaftlern Clairaut sowie Maupertuis in Cirey durchgeführt wurden, übersetzte zunächst Emilie du Châtelet Newtons Werk.
Die “Elements” stellen eine popularisierte Version aus der Feder Voltaires dar. Die französische Physik war zu Voltaires Zeit noch stark von theologischen Bevormundungen und Irrtümern geprägt - mit dieser Übersetzung hat Voltaire der experimentellen Wissenschaft gegen spekulative Phantastereien in Frankreich zum Durchbruch verholfen. Die erste Ausgabe erschien ohne die vier letzten Kapitel über das Planetensystem. Erst 1741 erschien in Paris die erste vollständige Ausgabe mit London als Druckortangabe .
“Durch die Institutions de Physique (1740), in denen sie die Methaphysik Newtons der Monadologie gegenüberstellte, wurde sie in Frankreich zur Repräsentantin der Leibnitzschen Philosophie.” (Iris Röbling)
In ihrer „Rede vom Glück“ (Discours sur le bonheur) postulierte sie, dass jeder Mensch innerhalb seines Standes etwas für sein Glück tun könne, wandte sich explizit an die Frauen von Welt und vertrat eine eher epikuräische Position, die die Philosophin Ruth Hagengruber als „Kalkül der Leidenschaften“ charakterisiert hat. Hiernach ist der Mensch in der Lage, seine Leidenschaften und das damit verbundene Glück und Unglück zu berechnen. Schlemme man zum Beispiel gern, wie Émilie du Châtelet selbst, müsse man Fastenzeiten einlegen, um die Gefahr von Gicht und Magenschmerzen zu vermeiden, aber auch um den Genuss zu steigern.
Zu den Leidenschaften, die das Glück begünstigen, zählte sie das Streben nach Gelehrsamkeit, welche eine Quelle unerschöpflicher Freude sei, insbesondere für Frauen.
Sie stimmt der Aussage Ciceros zu, die Freuden der Sinne und des Herzens seien dem Studium nachgeordnet und bezeichnet das Streben nach Ruhm als eine Illusion, die der Vernunft nicht standhalten kann, aber dennoch sei die Liebe zum Ruhm eine Quelle von Seelenfreuden. Auch die Freiheit von Vorurteilen hält sie für eine Quelle des Glücks. Die guten Sitten, vom Stand, Alter und anderen Faktoren abhängig, sind eine Sache der Übereinkunft und haben daher Wahrheitsgehalt, nicht aber die Vorurteile. Höchste Tugend ist es, etwas zum Wohl der Gemeinschaft beizutragen. Diese Tugend bringt individuelles Glück mit sich.
An der Stellung der Frau in ihrer Gesellschaft hatte sie viel auszusetzen. Den Männern stünden vielerlei Wege zum Glück offen, etwa in Kriegskunst oder Diplomatie, schreibt sie in der „Rede vom Glück“. Den Frauen bleibe dagegen nur das Studium. In ihrer Übersetzung von Mandevilles „The Fable of the Bees“ wird sie in einem Kommentar deutlicher: „Wenn ich König wäre, ich würde einen Missbrauch abschaffen, der die Hälfte der Menschheit zurücksetzt. Ich würde Frauen an allen Menschenrechten teilhaben lassen, insbesondere den geistigen.“ Mit ihrem Werk war sie auch für andere Frauen Vorbild, etwa die deutsche Journalistin Luise Gottsched: „Du, die Du jetzt den Ruhm des Vaterlandes stützest, / Frau, die Du ihm weit mehr als tausend Männer nütztest, / Erhabne Chatelet, o fahre ferner fort / Der Wahrheit nachzugehn.“
Der bedeutende deutsche Philosoph Christian Wolff, lobte: „Es ist, als hörte ich mich selbst von der Kanzel reden.“ Immanuel Kant schrieb über die Aufklärerin, „der Vorzug des Verstandes und der Wissenschaft [setze] sie über alle übrigen ihres Geschlechtes und auch über einen großen Theil des anderen hinweg.“ Ihr Briefwechsel mit dem aufgeklärten Monarchen Friedrich II. stammt aus der Zeit zwischen 1738 und 1744.
1738 bewarben sich Émilie du Châtelet und Voltaire unabhängig voneinander um den Preis, den die französische Akademie der Wissenschaften für eine Erklärung der Natur des Feuers ausgeschrieben hatte. Die Arbeiten durften anonym eingereicht werden, so dass sie sich auch als Frau beteiligen konnte. Der Preis ging zwar an den Schweizer Mathematiker Leonhard Euler, doch wurde ihre Dissertation sur la nature et la propagation du feu 1744 auf Kosten der Akademie gedruckt. 1746 wurde sie in die Akademie der Wissenschaften zu Bologna gewählt. In die Pariser Akademie wurden Frauen grundsätzlich nicht aufgenommen.
Am 10. September 1749 starb Émilie du Châtelet an Kindbettfieber.
Voltaire, Saint-Lambert und ihr Ehemann standen gemeinsam an ihrem Totenbett.
Voltaire schrieb über seine Freundin: "Sie war ein großer Mann, dessen einziger Fehler es war, eine Frau zu sein. Eine Frau, die Newton übersetzte und deutete... mit einem Wort, wirklich ein großer Mann".
“Versuchen wir also, es uns gut gehen zu lassen, keinerlei Vorurteile zu hegen, Leidenschaften zu haben und sie unserem Glück dienlich zu machen, unsere Leidenschaften durch Neigungen zu ersetzen, mit größter Sorgfalt unsere Illusionen zu bewahren, tugendhaft zu sein, niemals zu bereuen, uns von traurigen Vorstellungen fernzuhalten und unserem herzen nie zu erlauben, auch nur ein Fünkchen Neigung für jemanden zu bewahren, dessen Neigung schwindet und der aufhört, uns zu lieben. … Denken wir schließlich daran, unsere Neigung für die Wissenschaft zu pflegen, diese Neigung, die das Glück vollkommen in unsere Hände legt. Nehmen wir uns vor dem Ehrgeiz in acht und vor allem seien wir uns im klaren, was wir sein wollen; entscheiden wir uns für den Weg, den wir für unser Leben einschlagen wollen, znd versuchen wir, ihn mit Blumen zu säumen.” (Rede vom Glück; s. 57 ff.)
|