Die genauen Lebensdaten von Giuseppa Eleonora Barbapiccola sind nicht bekannt. Sie lebte wahrscheinlich in Neapel. Sie war in Ihrem wissenschaftlichen und philosophischen Denken vom Gedankengut der „Accademia Arcadia“ beeinflusst. Diese war ein Kreis von Intellektuellen und Künstlerinnen, in dem Frauen gleichberechtigt waren und der Erneuerung des gesamten Wissens anstelle von verfestigten Lehrmeinungen beabsichtigte.
Barbapiccola verfasste die erste und vor allem wissenschaftlich fundierte italienische Übersetzung der von Descartes in lateinischer Sprache erschienen und erst danach ins französische übersetzten „Principia philosophiae“.
Als Vorwort wird von Ihr ein etwa zwanzigseitiger Brief der Übersetzerin an die Leserinnen vorangestellt. Darin ergreift sie Partei für das „philosophierende Frauenzimmer“. Sie findet es lächerlich, Frauen auf traditionell weibliche Eigenschaften zu reduzieren, wie “den Katechismus, das Nähen, diverse kleine Arbeiten, Gesang, Tanz, modische Kleidung, höfliches Verhalten und höfliche Sprache,'' [Barbapiccola, 1722, p. 1] zu beschränken. Schließlich gäbe es unter den Frauen genauso viele oder wenige, die einen klaren Verstand besäßen, wie unter den Männern.
Darüber hinaus sah sie sich inspiriert von berühmten Frauen der Antike wie auch anderen in Ihrer Zeit. Sie argumentierte, dass die intellektuelle Schwäche der Frauen sicherlich nicht wegen der Natur so war, jedoch wegen einer schlechten Bildung. Den Beweis führt sie mit einer eindrucksvollen Liste gelehrter Frauen und Männer von der Antike bis zur Gegenwart. Sie betont stattdessen, dass speziell die Frauen in der Geschichte, kulturelle Trends, intellektuelles Denken beeinflusst und gesetzt haben und als Ausbilder dienten und die Inspiration für die großen männlichen Figuren des westlichen Kanons waren. Um nur einige zu nennen, zitiert sie Daphne, dessen Verse sie pflegte, wie die Schriftart für die poetische Inspiration Homers gedient, Diotima, die Sokrates als seine Meisterin genannt hatte, Königin Christina von Schweden und eine französisch zeitgenössische und die wichtigsten Autoritäten für ihre Übersetzung von Descartes Werken,
Anne Lefevre und Madame Dacier.
Obwohl Descartes, eingeschüchtert durch den Galilei-Prozess, schon im Vorfeld einige Passagen der „Princpia” entschärft hatte, um einen offenen Konflikt mit der katholischen Kirche zu vermeiden, wurde das Werk 1663 in Italien verboten. Auch zu Lebzeiten Barbapiccolas war die Verteidigung des cartisanischen Denkens noch eine heikle Angelegenheit. Barbapiccola fordert in ihrer einleitenden Epistel die katholische Kirche auf, die cartisanische Philosophie erst vorurteilslos zu studieren, bevor sie verkünde, sie stünde im Gegensatz zu ihren Lehren. Denn die beste Art der Bekämpfung einer Irrlehre sei deren argumentative Widerlegung und nicht deren Diskreditierung oder deren Verbot.
Des Weiteren wehrte sich Barbapiccola gegen die Christianisierung der antiken Philosophie und forderte, zu den klassischen Quellentexten selbst zurückzugehen und nicht die Interpretationen der Kommentatoren ohne Prüfung zu übernehmen.
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